Rüdiger Timme erhält die Ehrenurkunde des Handwerks. V.l.n.r.: Obermeister Rainer Dreyer, Rüdiger Timme, Obermeister Christian Lellau
PorträtEin Leben für Holz und Menschen
Wenn an einem Montagmorgen das Licht in der Werkstatt der Tischlerei Timme angeht, steht einer ganz sicher schon zwischen Hobelbank und Maschine: Rüdiger Timme. 85 Jahre ist er nun alt – und noch immer montags bis sonntags in seiner Werkstatt in Eilsleben zu finden.
An seinem 85. Geburtstag erhielt der Tischler- und Rahmenglasermeister die Ehrenurkunde des Handwerks – dort, wo er es am liebsten hat: mitten in der Werkstatt seiner Tischlerei in Eilsleben. Mit dabei waren seine Familie, die Mitarbeitenden der Tischlerei Timme sowie Reiner Dreyer, Obermeister der Tischler-Innung Elbe-Börde, und Christian Lellau, Obermeister der Bauinnung Harz-Bode.
Im Kreis seiner Familie, der Mitarbeitenden der Tischlerei Timme sowie Obermeister Dreyer und Lellau erhält Rüdiger Timme die Ehrenurkunde des Handwerks.
„Zu Rüdiger kann man nur hochschauen und dabei ist er total bodenständig“, sagt Obermeister Lellau. „Er ist leidenschaftlicher Handwerker, das merkt man, und sein Leben ist die Werkstatt und der Werkstoff.“ Eine passendere Zusammenfassung für das Lebenswerk von Rüdiger Timme lässt sich kaum finden.
Vom eigenen Betrieb zur Familienfirma
1965 gründet Rüdiger Timme seinen Betrieb, die Tischlerei Timme. Über drei Jahrzehnte, bis 2006, führt er die Firma – mit viel persönlichem Einsatz, klaren Werten und einem feinen Gespür für Qualität und Miteinander.
Mehr als nur Chef, versteht er sich immer als Teil der Mannschaft. „In der Tischlerei Timme stimmt das Miteinander, denn letztendlich kann man nur so stark und gut sein, wenn man sich auf die Zahnräder im System – also die Mitarbeiter – gut verlassen kann, und das ist hier der Fall“, heißt es anerkennend aus seinem Umfeld.
2007 übergibt er die Tischlerei an seinen Sohn Christoph Timme. Aus dem „eigenen Betrieb“ ist längst eine Familienfirma geworden, in der die Werte des Gründers weiterleben – und in der er selbst bis heute mitarbeitet.
Rüdiger Timmer mit Sohn Christoph Timme in der Werkstatt der Tischlerei Timme.
Ausbilder aus Leidenschaft
Rüdiger Timme ist nicht nur Tischler- und Rahmenglasermeister, sondern vor allem eines: Ausbilder aus Leidenschaft.
„Er zeigt bis heute hohes Engagement für die Ausbildung im Handwerk“, heißt es über ihn. Gerade jungen Menschen möchte er die Freude am Werkstoff Holz, die Liebe zum Detail und die Verantwortung für den Beruf vermitteln.
In der Werkstatt ist er deshalb nicht nur Vorbild, sondern auch geduldiger Erklärer. Wie man ein Werkzeug richtig führt, wie man Holz „liest“, bevor man es bearbeitet, und warum Sorgfalt immer vor Schnelligkeit geht – all das gibt er Tag für Tag weiter.
Obermeister Dreyer bringt es bei der Ehrung auf den Punkt: „Rüdiger Timme war über die vielen Jahre ein echter Macher und immer stark daran orientiert, das Tischlerhandwerk und die Leidenschaft dafür weiterzugeben.“ Und er fügt mit Blick auf den Jubilar hinzu: „Wir brauchen Dich noch weiter, Du bist ein Muster an Zuverlässigkeit.“
Engagement über die eigene Werkstatt hinaus
Sein Engagement endet jedoch nicht an der Tür der eigenen Werkstatt. 1987 startet Rüdiger Timme ein Tansania-Projekt, das bis heute Früchte trägt. Zahlreiche junge Menschen aus Tansania lernten und lernen unter seiner Anleitung das Tischlerhandwerk.
1987 errichtet die tansanische Diakone, die im Rahmen ihrer Diakonenausbildung ein Praktikum bei Tischlerei Timme absolviert hatte, ein Diakoniezentrum in Tansala und eine dazugehörige Tischlerwerkstatt. Doch bei Gebäuden bleibt es nicht: Mit Hilfe von Spenden kann 2002 eine komplette Grundausstattung für die Werkstatt in Tansania transportiert werden – Maschinen, Werkzeuge, alles, was es für eine solide Ausbildung braucht. Beim Aufbau ist Rüdiger Timme natürlich selbst mit dabei.
Bis heute unterstützt die Familie Timme den Aufbau und die Erweiterung des Diakoniezentrums Tandala. Aktuell läuft bereits das nächste Vorhaben: der Bau eines Wasserkraftwerks in Tandala, auch hier ist die Familie Timme engagiert dabei. Das, was Rüdiger Timme sein Leben lang geleitet hat – Hilfe zur Selbsthilfe durch Handwerk – zeigt sich auch in diesen Projekten.
Ein Museum für das Tischlerhandwerk
Wer Rüdiger Timme besucht, entdeckt neben Werkstatt und Betrieb noch einen ganz besonderen Ort: das von ihm aufgebaute Tischlereimuseum in Eilsleben.
Seit 1965 sammelt er alles rund um seinen Berufsstand: alte Maschinen, Werkzeuge, Geräte, Geschichten. Entstanden ist eine beeindruckende Sammlung, in der er alte Holzberufe vorstellt und spezielle Holzwerkzeuge aus aller Welt zeigt. Das Museum ist ein Blick zurück in die Geschichte des Handwerks – und zugleich ein lebendiger Lernort für die nächste Generation.
Das Miteinander stimmt
Dass die Ehrenurkunde des Handwerks an seinem 85. Geburtstag in der Werkstatt überreicht wurde, passt perfekt zu Rüdiger Timme. Im Kreis seiner Familie, der Mitarbeitenden der Tischlerei Timme sowie Obermeister Dreyer und Lellau wird deutlich, wie sehr er geschätzt wird – als Meister, Kollege, Förderer und Mensch.
Im Kreis seiner Familie, der Mitarbeitenden der Tischlerei Timme sowie Obermeister Dreyer und Lellau erhält Rüdiger Timme die Ehrenurkunde des Handwerks.
Die Worte der Gratulanten kreisen dabei immer wieder um dieselben Themen: Leidenschaft, Zuverlässigkeit, Bescheidenheit und ein großes Herz für Menschen. Oder, wie es einer formuliert: „In der Tischlerei Timme stimmt das Miteinander“ – und das liegt ganz wesentlich an Rüdiger Timme.
Ein Mann, zu dem man „nur hochschauen kann“ – gerade, weil er sich selbst nie über andere erhebt. Ein Handwerker, dessen Leben Holz, Werkstatt und Menschen miteinander verbindet. Und einer, dessen Geschichte zeigt, was Handwerk sein kann: Beruf, Berufung und gelebte Verantwortung weit über den eigenen Werkstatttisch hinaus.
Anne-Kristin Gotot