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Corona-Pandemie: Stimmungsbild der Handwerker im Kammerbezirk.Das sagen unsere Handwerker

Wie geht es den Handwerkerinnen und Handwerkern aus dem Kammerbezirk Magdeburg im anhaltenden Lockdown?

Wir haben Anfang Februar 2021 einige Stimmen aus dem nördlichen Sachsen-Anhalt eingeholt.

Oliver Kantelhardt, Friseurmeister aus Halberstadt:

„Ich habe zusammen mit meiner Frau ein Friseurgeschäft. Am 16. Dezember wurde von der Regierung bestimmt, dass wir unser Geschäft trotz aller Hygienemaßnahmen schließen müssen. Unsere Situation ist katastrophal. Wir leben von unserem Geschäft. Versprochene Hilfen? Es gibt noch nicht einmal Anträge. Letztendlich beläuft es sich auf Fixkosten. Es gibt keine Hilfe für Unternehmerlöhne, Krankenkasse oder Altersvorsorge. Alle Ersparnisse sind fast aufgebraucht. Auch die Ausbildung und damit die Nachwuchssicherung in der Friseurbranche ist in Gefahr. Die Auszubildenden können sich nicht angemessen auf ihre Abschlussprüfungen vorbereiten. Das Arbeitsverbot muss umgehend aufgehoben werden.“

André Pussel, Fleischermeister aus Magdeburg:

„Mein Geschäft besteht normalerweise zu 70 Prozent aus Catering, das steht derzeit komplett still. Die Laufkundschaft bleibt weitestgehend aus, da die umliegenden Firmen und Institutionen größtenteils im Homeoffi ce arbeiten. Der Wild-Verkauf läuftzu Jahresanfang traditionell verhalten. Mein Mitarbeiter ist in Kurzarbeit. Finanzhilfe beantrage ich  nicht, da nach den Kosten für den Steuerberater am Ende nicht viel übrig bleiben würde. Meine Rücklagen habe ich 2020 aufgebraucht und konnte durch den Wegfall des Weihnachtsgeschäfts keine neuen schaff en. Ich halte das noch maximal zwei Monate durch. Nach 30 Jahren am Markt ist das absolut tragisch. Ich kann der ganzen Situation nichts Positives abgewinnen. Meine Hoff nung sind die Jugendweihen. Ich wünsche mir, dass wir bald wieder unsere Arbeit machen dürfen.“

Astrid Wieser, Glasveredlerin aus Blankenburg:

„Normalerweise bin ich im Januar schon bis Dezember ausgebucht. Doch zurzeit habe ich keinen einzigen Termin im Kalender. In der Weihnachtszeit hat der eine oder andere Auftrag etwas Geld in die Kasse gespült. Als Soloselbstständige konnte ich die November- und Dezemberhilfe selbst beantragen. Der Anmeldevorgang war etwas kompliziert, dann lief es und wurde auch schnell ausgezahlt. Finanziell halte ich so noch maximal zwei Monate durch. Auch moralisch laufe ich auf dem Zahnfl eisch. Ich bin eine echte Marktfrau, brauche den persönlichen Kontakt. Ich wünsche mir eine Perspektive. Ich verstehe nicht, warum Wochenmärkte stattfi nden dürfen, Handwerkermärkte aber nicht. Das ist ungerecht! Die Leute brauchen gerade in diesen Zeiten schöne Dinge, die das Herz erwärmen, so wie meine Glücksbringer aus Glas."

Mathias Haut, Uhrmacher und Goldschmiedemeister aus Havelberg:

„Privat ging es mir noch nie so gut, ich habe so viel Zeit für meine Familie wie nie zuvor. Betrieblich ist es allerdings bedenklich. Wir öff nen unsere Werkstatt täglich von 9 bis 13 Uhr, die Reparatur- und Service-Aufträge sind sehr verhalten. Wenn der Lockdown über den Februar hinausgeht, dann überlege ich, Betriebsvermögen zu verkaufen. Mit der Überbrückungshilfe II kann ich einen geringen Teil meiner betrieblichen Fixkosten bezahlen, doch wovon bezahle ich meine privaten Fixkosten? Das ist ein Witz! Das ist nicht zu Ende gedacht. Mich macht es auch zunehmend wütend, dass der Drogeriemarkt gegenüber beispielsweise Wecker verkaufen darf, während ich mich als Fachhändler damit strafbar machen würde. Das ist wirklich eine sehr große Ungerechtigkeit!“

Dominik Bellack, Maler- und Lackierermeister aus Halberstadt:

„Meine drei Mitarbeiter und ich arbeiten zu 90 Prozent für Privatkunden. 2020 hatte ich nur eine Auftragsabsage. Seit dem Jahreswechsel ist das leider anders. Ein paar unserer Kunden haben sehr kurzfristig Aufträge für Januar/Februar storniert, weil sie selbst infi ziert sind oder sich vor einer Infektion ängstigen. Berufskollegen berichten Ähnliches. Dieser Stimmungswechsel macht mir Angst und lässt mich schlecht schlafen. Ich rede viel mit meinen Mitarbeitern darüber. Ich verstehe, dass viele Kunden jetzt ihr Geld zusammenhalten wollen und müssen. Es ist in unserem eigenen Interesse, uns und unsere Kunden vor einer Ansteckung zu schützen, entsprechend verhalten wir uns bei der Arbeit.“

Aufruf einer Autombilverkäuferin

Wochen und Monate hat Dagmar Fenrich vom Magdeburger Autohaus Fenrich im Hinblick auf die anhaltenden Eindämmungsbeschränkungen nun regen Mailkontakt zu verantwortlichen Ministerien und Personen in Sachsen Anhalt.

"Auf einige Mails erhielten wir eine Antwort, auf einige nicht. Viele Telefonate waren die Folge. Wir sprachen mit Abteilungsleitern diverser Krankenkassen, diversen Personen aus den Ministerien und politischen Amtsträgern. Die Gesprächspartner hatten mit uns, ein vom Lockdown betroffenes Unternehmen, welches wie viele Unternehmen mit Umsatzeinbußen und den Unverhältnismäßigkeiten der Maßnahmen an vorderster Front zu kämpfen hat, immer vollstes Verständnis und vor allen nahmen sie sich immer Zeit uns anzuhören, aber helfen konnte, selbst wenn man wollte, keiner", richtet sich Unternehmerin am Sonnabend, 27. Februar 2021 per E-Mail unter anderem erneut an den Ministerpräsidenten.

„Es ist für uns unerträglich, […] dass auch weiterhin der Fahrzeughandel in Sachsen-Anhalt geschlossen bleibt. Was für ein Hygienekonzept hat ein Friseur mit direktem Kundenkontakt, was wir auf 500 Quadratmeter Ausstellungsfläche mit aufwendigen Umbauten nicht haben? Was für ein Hygienekonzept hat ein Sonnenstudio, was wir nicht umsetzen können? Was für ein Hygienekonzept hat ein Supermarkt, der u.a. auch Elektroartikel, Bekleidung und Pflanzen und Blumen verkauft, dass wir nicht auch umsetzen können? […]“, so Dagmar Fenrich in einer E-Mail vom 16. Febrauar an den Ministerpräsidenten.

Hier finden Sie die Mail in vollem Umfang.

Offener Brief einer Magdeburger Kosmetikerin

Kosmetikerin Saskia Kelle aus Magdeburg hat am 14. Februar einen Offenen Brief an die Landesregierung geschickt. „Ich appelliere an Sie, die Kosmetiker*innen nicht länger an der Ausübung ihres Berufs zu hindern. Wir arbeiten ohnehin in einer sehr geschützten Situation, sowohl für unsere Kundschaft als auch für uns selbst. Mit den zusätzlichen SARS-COV—Schutzmaßnahmen haben wir sehr wirksame Hygienekonzepte. Daher muss es auch für uns möglich sein, wieder zu öffnen und unserer Arbeit nachzugehen“, heißt es darin.

Den vollständigen Wortlaut finden Sie hier.

Stimmungsbild nach dem zweiten Lockdown

Bereits im November und Dezember 2020, als der zweite Lockdown sich ankündigte und letztendlich auch bundesweit umgesetzt wurde, hatten wir uns im Kammerbezirk bei einigen Handwerkern informiert und uns Ängste und Sorgen angehört.

Den Beitrag dazu finden Sie hier.



Hotline: Für von der Corona-Krise betroffene Handwerksbetriebe hat die Handwerkskammer die Hotline 0391 62680 eingerichtet. Sie ist montags bis donnerstags zwischen 7.30 und 16.30 Uhr und freitags zwischen 7.30 und 13 Uhr erreichbar. 

Friseurmeister Oliver Kantelhardt aus Halberstadt in seinem Salon.
Anne-Kristin Gotot
Friseurmeister Oliver Kantelhardt aus Halberstadt in seinem Salon.

Jaqueline Lucas vor dem Salon Stötzer in Magdeburg. Sie beteiligt sich an der Schaufenster-Aktion in Sachsen-Anhalt am Freitag, 5. Februar 2021.
Anne-Kristin Gotot
Jaqueline Lucas vor dem Salon Stötzer in Magdeburg. Sie beteiligt sich an der Schaufenster-Aktion in Sachsen-Anhalt am Freitag, 5. Februar 2021.