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Handwerkstag im BBZPersonalgipfel: Die wichtigsten Ergebnisse

Personalbedarf oder eigentlich sogar Personalmangel ist für die meisten Handwerksbetriebe die aktuell größte Herausforderung. Grund genug also für den Handwerkstag mit der Landespolitik in den Dialog zu treten. Seiner Einladung zum Werkstattgespräch Anfang November waren die Ministerin für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt, Petra Grimm-Benne (SPD) und die Ministerin für Bildung, Eva Feußner (CDU) in die Tischlerwerkstatt des BBZ der Handwerkskammer Magdeburg gefolgt.

Handwerkstagpräsident Uwe Runge: 2030 fehlen rund zwölf Millionen Arbeitnehmer

"Wir werden, was das Personal betrifft, in einem Jahrzehnt an die einfachen Zeiten denken, die wir jetzt haben", provozierte Handwerkstagpräsident Uwe Runge zu Beginn der Diskussion. Hintergrund für die Aussage ist die Entwicklung der Altersstruktur der Wohnbevölkerung in Sachsen-Anhalt und ganz Deutschland. Mit dem Ausscheiden der letzten Jahrgänge der sogenannten "Babyboomer-Generation" ab Mitte der 2030ger Jahre fehlen dem deutschen Arbeitsmarkt rund zwölf Millionen Arbeitnehmer, die nicht nachwachsen. Diese Zahlen sind seit Jahren bekannt.

Wir werden, was das Personal betrifft, in einem Jahrzehnt an die einfachen Zeiten denken, die wir jetzt haben.
Handwerkstagpräsident Uwe Runge

Und genau daher, so Ministerin Eva Feußner "ziehen derzeit alle möglichen Interessenten am Tischtuch Schulabgänger". Gesucht werden derzeit nicht nur Handwerker, sondern auch Lehrer, Ärzte, Ingenieure, Erzieher und viele andere mehr. Auf aktuelle Zahlen bezogen lobt die Ministerin das Handwerk, von dem eine spürbare Zunahme der Interaktionen mit den Schulen im Land zu spüren ist. Zugleich beklagt die Ministerin die Zahl von rund zehn Prozent Schulabgängern ohne Abschluss und zum Teil auch ohne (eigene) Perspektive, ein Potenzial das insbesondere durch Ausbildung in den Arbeitsmarkt gebracht werden sollte.

Betriebe fordern mehr Berufsorientierung an allen Schulformen

Einen anderen Teil der Schülerschaft sprach der Kreishandwerksmeister des Altmarkkreises, Norbert Nieder an. Er hinterfragte den alleinigen Elternwillen beim Übergang zum Gymnasium. Die Folge sei ein "Abstempeln" der Sekundarschule zur Resteschule. Das sei insbesondere deshalb bedauerlich, da diese Schulform für das Handwerk die meisten Absolventen hervorbringt. Mehrere Stimmen votieren daher für mehr Berufsorientierung (BO) an allen Schulformen. Diese ist, so Ministerin Petra Grimm-Benne, in deren Ressort der Übergang Schule-Beruf verortet ist, im Land nicht so schlecht, wie es den Anschein habe.

"Es ist aber wichtig, diese Maßnahmen mit einem hohen Praxisanteil zu untersetzen."
 Ministerin Petra Grimm-Benne über die Maßnahmen zum Thema Berufsorientierung an Schulen.

Durch die Zusammenfassung verschiedener Initiativen im Projekt Bildungsketten sei es gelungen, ein breites Feld an BO-Maßnahmen in den Schulen oder ihrem Umfeld zu verankern. "Es ist aber wichtig, diese Maßnahmen mit einem hohen Praxisanteil zu untersetzen", so Petra Grimm-Benne. In Regionen wo das passiert, steigt die Zahl der Ausbildungsverträge in den gewerblichen Berufen messbar. Diese Erfahrung teilt die Bildungsministerin, welche die Modelle Praxislerntag (Alle zwei Wochen ein Tag in der Praxis), Produktives Lernen (2 Tage Schule/ 3 Tage Praxis - für Schüler, die möglicherweise Abschlussprobleme haben werden), und das 4+1 Modell (gesamte Klassen 4 Tage Schule/ 1 Tag Praxis) vorstellt. Aus den Modellen sollen reguläre Arbeitspläne für Schulen erwachsen. 

Auf ein kritisches Problem macht der Handwerkstagpräsident Uwe Runge aufmerksam: Die Ausbildung in einem dualen Beruf bedarf einer stärkeren Akzeptanz bei der Elternschaft. Dieses Problem geht einher mit dem Verlust von Werten in der Gesellschaft. "Respekt, Anstand oder auch Anerkennung der Leistung anderer sind für manche inzwischen Fremdwörter". 

Lösungsvorschlag: Stipendium für Meisterschüler

Die Diskussion fixierte Anregungen, wie längeres gemeinsames Lernen in der Grundschule, mehr Praxisbezug in schulischen Praktika aber auch im Wunsch, den Schulen mehr Praxisplätze in den Regionen zur Verfügung zu stellen. 

Handwerkstag-Personalgipfel-BBZ-02-11-23
Dan Tebel

Mit einem innovativen Vorschlag trat Baugewerbe-Präsident Peter Nitzschke in die Diskussion. Er regt an, in einem Sachsen-Anhalt Stipendium / Handwerksstipendium Meisterschüler im Land zu unterstützen. Nach dem System des existierenden Deutschland-Stipendiums kann so versucht werden, das Nachfolgeproblem im Handwerk zu reduzieren. In den dafür benötigten Fond könnten der Staat, aber eben auch Unternehmen oder Privatpersonen einzahlen. Erfreulich ist, dass die Ministerinnen unisono erklärten, diese Idee mitzunehmen, jedoch darauf verwiesen, dass die Haushaltsplanungen 2024 beendet seien, so dass eine solche Idee frühestens 2025 zum Tragen kommt. 



Ministerin Feußner fordert Unterstützung bei der Finanzierung von Sprachkursen

Ein zweites Diskussionsthema betrifft die Zuwanderung. "Wie bekommen wir alle, die bereits im Land und geeignet sind, in Arbeit", fragt Uwe Runge. Für mehr Pflichten von Zuwanderern plädiert Ministerin Grimm-Benne. Das Aufenthaltschancengesetz forciere die Arbeitsaufnahme insbesondere für Tätigkeiten, welche nicht unbedingt eine Ausbildung erfordern. Zugleich votiert sie, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Ausbildung zu übernehmen. Dafür sei jedoch, so die Mehrheit der Handwerker im Werkstattgespräch, eine Mindestbeherrschung der deutschen Sprache erforderlich. Überraschend kritische Worte kamen an dieser Stelle von der Landesbildungsministerin:

Der Bund beteiligt sich nicht an den Kosten für Schule bei der Integration, so dass die Länder auf den Kosten für den Deutschunterricht aber eben auch bei den Sonderunterrichtsformen z.B. bei ukrainischen Flüchtlingen sitzen bleiben.
Ministerin Eva Feußner

So entsteht ein Nadelöhr bei Sprachkursen, weil einfach zu wenig Mittel zur Verfügung stehen, um diese zu organisieren. Hier fordert sie Unterstützung, da Sprache ein Schlüsselelement der Integration sei.

Aus dem Handwerk wurde ein weiteres Problem vorgetragen. Wenn Zuwanderer nach drei Monaten des Aufenthalts arbeiten gehen können aber nicht müssen, würden sie in die Sozialleistungen des Staates. "Bürgergeld behindert die Motivation zu arbeiten", lautet eine Botschaft der Handwerksrepräsentanten an die Politik. 

Fazit

Das Fazit der Veranstaltung zieht Uwe Runge: "Es zeigt sich, dass solche Werkstattgespräche geeignet sind, auf dem kurzen Weg in den Dialog zu gehen". Er schloss die Bitte an die Ministerinnen an, die Positionen der kleinen Betrieben in die Arbeit einfließen zu lassen, um dem Handwerk eine reale Zukunftschance zu eröffenen.

 Jens Schumann

 

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